Netzqualitätsüberwachung mit BACnet-Zertifikat
27.04.2014
Beim Thema Energie kämpfen Betreiber großer Immobilien an mehreren Fronten: Kosten und Versorgungssicherheit dürfen sich weder gegenseitig behindern noch zu Lasten von Komfort und Bedienerfreundlichkeit gehen. Zudem stellen heutzutage Gebäudeautomation und EDV-Infrastruktur in den Büros Qualitäts-Anforderungen, die man früher nur von Rechenzentren kannte, denn selbst kurzzeitige Spannungseinbrüche können Abstürze an Computern, Datenverluste, und Probleme bei Steuerungen aller Art verursachen.
Ein weiterer Aspekt sind besonders effiziente Energiemanagementsysteme, wie sie die DIN EN ISO 50001 beschreibt. Deren Einhaltung ist freiwillig, allerdings ist eine Zertifizierung nach dieser Norm (oder ein registriertes Umweltmanagementsystem nach EMAS-Verordnung) in Deutschland Voraussetzung für die teilweise Befreiung von der EEG-Umlage. Unabhängig von der Normung ist es natürlich für jeden Betrieb wichtig, Verbräuche transparent zu machen und Energieverschwender zu identifizieren.
Universelle Werkzeuge in diesem Kampf sind Netzanalysatoren und Energiemessgeräte, wie z.B. die UMG-Serien der Janitza electronics GmbH. Sie sind typischerweise in Hotels, Krankenhäusern, Einkaufszentren, Messegeländen, Krankenhäusern und Rechenzentren zu finden. In letzteren können einige tausend Geräte installiert sein. Die Analysatoren erfassen und speichern die Daten natürlich nicht nur lokal, sondern stellen sie der Leit- und Managementebene über verschiedene Schnittstellen zur Verfügung (Bild 1). Für eine davon, nämlich BACnet, hat Janitza bestimmte Geräte mit erheblichem technischen und finanziellen Aufwand zertifizieren lassen. Rudolf Müller, Direktor Vertrieb und Marketing, begründet den Schritt: „BACnet hat sich zu einem der wichtigsten Standards für die Gebäudetechnik entwickelt, vor allem wegen seiner Kompatibilität mit unterschiedlichster Hardware. Seine strengen Normen erzwingen eine einheitliche, herstellerübergreifende Kommunikation. Zusätzliche Schnittstellen oder Converter entfallen. Sobald unser UMG-Messgerät seine BACnet-ID bekommen hat und im Netzwerk integriert ist, wird es vom System erkannt und im Browser dargestellt. Das macht die Konfiguration sehr einfach.“ Die BACnet-konformen Geräte des nordhessischen Herstellers bieten dabei noch einen besonderen Vorzug; Rudolf Müller erläutert: „Unsere BACnet-zertifizierten Geräte können zugleich als Master für Modbus-Slaves arbeiten. Es gibt ohnehin kaum vergleichbare Produkte mit Zertifikat auf dem Markt, aber dieses Feature bieten derzeit nach meinem Kenntnisstand nur wir. Auf der BACnet-Homepage ist, Stand Januar 2014, kein vergleichbares Gerät aufgeführt.“ Um die Philosophie von BACnet und seine Vorteile für den Anwender zu verstehen, lohnt sich ein näherer Blick auf dieses Bussystem.
BACnet, der Gebäudemanager
Es gibt etliche etablierte Bussysteme für die Gebäudeautomation, wie Lon oder KNX/EIB. Allerdings sind diese für die Gebäudesystemtechnik, d.h. die Feldebene, gedacht. Als Standard für eine offene Kommunikation auf der Leit- und Managementebene hat sich BACnet (Building Automation and Control Networks) durchgesetzt.
BACnet wurde als offener, firmenneutraler und lizenzfreier Standard für die Gebäudeautomation entwickelt, mit dem Ziel, Interoperabilität zwischen Geräten und Systemen verschiedener Hersteller ohne den Einsatz von Gateways zu schaffen. Alle hierfür benötigten physikalischen und kommunikativen Grund- und Verarbeitungsfunktionen regelt die weltweit anerkannte DIN EN ISO 16484-5.
Nachrichten und Dienste sind bei BACnet nach dem Client/Server-Prinzip umgesetzt. Hauptelemente des Protokolls sind so genannte Objekttypen (Object Types), Dienste (Services) und Netzwerke. In der Praxis bietet dies etliche Vorteile. So wird ein Gerät bei Standards in der Feldebene häufig in einzelne Datenpunkte "zerlegt“. Für ein Schaltsignal ist es egal, ob sich z.B. zwei Taster in einem gemeinsamen Gehäuse befinden oder physikalisch getrennt sind. Bei BACnet wird ein Gerät als Objekt angesehen, d.h. das Netz “weiß“, dass die vielen verschiedenen Messwerte, gespeicherten Daten und Voreinstellungen eines Netzanalysators zu diesem speziellen Gerät gehören. Diese Sichtweise ist besonders vorteilhaft, um z.B. Lese- und Schreibrechte an andere Geräte im Netz zu vergeben. Der Aufwand, dies für jeden einzelnen Datenpunkt zu tun, ist erheblich und eine große Fehlerquelle.
Die BACnet-Struktur: Objects, Properties, Services
Wie schon angedeutet, basiert BACnet auf Objekten, wie z.B. einem Netzanalysator. Das heißt, dass die Gesamtinformation etwa über eine Spannung nicht nur aus dem Zahlenwert, sondern auch aus Informationen wie physikalische Einheit, Name und Beschreibung des Messpunkts, Einbauort und Art des Messwertgebers oder Grenzwerten besteht. Standard-Objekttypen sind größtenteils in der DIN EN ISO 16484-5:2004 beschrieben, einige weitere hat das American National Standards Institut (ANSI) genormt. Die Norm erlaubt den Herstellern zwar, zusätzlich eigene Objekttypen zu entwickeln. Ein Ersatz von Norm-Objekttypen durch herstellerspezifische ist jedoch normwidrig.
Die Eigenschaften eines Objekts sind in einem objektspezifisch festgelegten Datensatz – den so genannten Properties – festgelegt. Standard-Objekttypen haben Pflichteigenschaften (Mandatory Properties), die entweder nur lesbar „R“ (Readable) oder lesbar und schreibbar „W“ (Writeable) sind. Typische R-Eigenschaften sind physikalische Einheiten; dagegen ist z.B. ein Sollwert (“Setpoint“) in der Regel eine überschreibbare Eigenschaft. Spätestens jetzt wird klar, wie wichtig eine übersichtliche Verwaltung der Lese- und Schreibrechte ist.
Der dritte wesentliche Begriff sind Dienste (Services). Sie beschreiben die Kommunikations-Verfahren und sind Kategorien zugeordnet, wie “Zugriff auf Objekte“, “Verarbeitung von Alarmen und Ereignissen“, „Konfiguration und Diagnose“. Wie dabei das Client/Server-Prinzip von BACnet den Anwender unterstützt, zeigt das Beispiel “Meldung erzeugen“. So lässt sich über den Dienst “COV“ (Change of Value) festlegen, dass bei einer analogen oder binären Wertänderung der neue, aktuelle Wert automatisch an vorher festgelegte Empfänger zu übertragen ist. Bei analogen Messgrößen lässt sich hierfür auch ein Schwellenwert (COV_Increment) definieren. Damit entfällt eine permanente Abfrage (Polling) von Messwerten durch eine Zentrale.
Um Interoperabilität zwischen Geräten verschiedener Hersteller sicherzustellen, müssen sich alle Beteiligten darauf einigen, welche Services und Prozeduren auf Server- und Client-Seite unterstützt werden müssen. Diese Auflistungen heißen BIBBs (BACnet Interoperability Building Block).
Netzprotokoll und Schnittstellen
Zuletzt bleibt noch die Frage nach der Übertragung. BACnet kann auf den unterschiedlichsten physikalischen Netzen laufen. Weit verbreitet, besonders in öffentlichen Liegenschaften, ist BACnet/IP (BACnet over IP). Es gilt als leistungsfähig und zukunftssicher. Auch die Janitza-Produkte nutzen es. Zugleich können sie, wie bereits erwähnt, als Mastergeräte für Modbus-Slaves fungieren. Dies können zum Beispiel zusätzliche, einfachere Messgeräte oder Datenlogger sein, die das Hauptgerät ergänzen. So lassen sich diese kostengünstigere Produkte mit in die BACnet-Architektur einbinden. Gleichzeitig spart man IP-Adressen und damit weitere Kosten. Bild 2 zeigt so eine Anwendung.
BACnet Standard-Geräteprofile
Um die Integration von Geräten unterschiedlicher Hersteller in einem Projekt zu erleichtern, beschreibt die Norm standardisierte Typen (Profiles) von BACnet-Geräten (Standardized BACnet Devices).
Jedes Profil legt die BIBBs fest, die Geräte mindestens beherrschen müssen, wenn sie als standardisierte BACnet-Geräte gelten sollen.
Für ein konkretes Gerät erstellt sein Hersteller eine Konformitätserklärung, ein PICS (Protocol Implementation Conformance Statement). Dieses Dokument umfasst unter anderem alle unterstützten BIBBs, Objekttypen, Zeichensätze und Optionen der Kommunikation, eine Produktbeschreibung, das Standard-Geräteprofil usw. usw. Die vollständige Beschreibung würde den Umfang des Beitrags sprengen. Die Janitza-Geräte sind als BACnet Smart Actuator (B-SA) klassifiziert (Bild 3).
Zertifikate für alle Anforderungen
Aus den vorangegangenen Abschnitten lässt sich einerseits erahnen, wie hoch der Entwicklungsaufwand ist, um die Norm vollständig zu erfüllen. Andererseits wird klar, dass ein Anwender bei komplexen Geräten nicht ohne weiteres überprüfen kann, ob sich das Produkt in jedem Fall – besonders in nur selten auftretenden Situationen – normgerecht verhält. Die BACnet-Norm sieht deshalb mehrere Stufen der Zertifizierung vor:
- Hersteller, die BACnet nutzen, können eine kostenlose Vendor-ID beantragen. Ihre Geräte werden dann gelistet. Die Aussagekraft dieser Liste ist jedoch sehr begrenzt. Theoretisch kann ein Hersteller die BACnet-Übertragung für proprietäre Protokolle nutzen.
- Einen Schritt weiter sind Geräte mit BTL-Logo (BACnet Testing Laboratories). Produkte mit diesem Logo wurden vorläufig oder abschließend von einem Prüflabor getestet. Das Testlabor stellt die tatsächlich geprüften BIBBs, Objekttypen und anderen Leistungsmerkmale des Gerätes in einer Bescheinigung (“Product Listing“) zusammen.
- Nur Produkte mit diesem Logo werden zur dritten Stufe, der Zertifizierung durch eine nationale Akkreditierungsstelle nach EN ISO/IEC 17025 (General Requirements for the Competence of Calibration and Testing Laboratories) zugelassen. Janitza hat diesen Schritt vollzogen (Bild 4).
Es ist für potenzielle Kunden sehr wichtig, die Unterschiede zwischen diesen BACnet-Zertifikaten zu kennen – besonders wenn es um so komplexe Geräte wie Netzanalysatoren geht. Je nach Anwendungsfall, sei es bei Störungen in kritischen Anlagen, sei es bei der Befreiung von der EEG-Umlage müssen die Messdaten absolut vertrauenswürdig und belastbar sein.
Aufwand für den Hersteller – Nutzen für den Anwender
Für die Zertifizierung musste die Janitza electronics GmbH sehr viel Zeit und Geld investieren. Rudolf Müller beschreibt den Ablauf: „Es war ein sehr aufwändiger Prozess. Allein die Software für die hausinternen Tests kostete 30.000 €. Die eigentliche Zertifizierung läuft über ein externes Testlabor und es war sehr schwierig, in Deutschland Kapazitäten zu bekommen. Aber dafür können wir uns jetzt mit diesen Geräten im Portfolio als eines der führenden Unternehmen auf diesem Markt betrachten.“ Das gesamte Projekt dauerte fast ein Jahr und verlangte von Janitza erhebliche Anpassungen des Protokolls. Rudolf Müller hält den Aufwand aber für gerechtfertigt: „Nach unserer Erfahrung helfen solche Zertifizierungen, wirkliche Kompatibilität herzustellen, das ist nicht nur Paperwork bei den Protokollzertifizierungen!“, so sein Resümee.
Zertifizieren ließ Janitza die Produktfamilien UMG 604 und UMG 605 für die Hutschienenmontage sowie UMG 508 und UMG 511 für den Fronttafeleinbau (Bild 5). Da es sich um die modernsten Ethernet (TCP/IP)-Messgeräte des Janitza-Portfolios handelt, bot es sich an, auf ihnen das BACnet-Protokoll zu implementieren. Alle vier sind sehr leistungsfähige Netz- bzw. Spannungsqualitätsanalysatoren mit großen Messdatenspeichern. Sie verfügen über embedded Webserver für eine eigene Homepage und E-Mail-Funktionen. Eine grafische Programmierumgebung erlaubt es, anwenderspezifische Jasic®-Programme zu erstellen, vergleichbar einer SPS.
Die Geräte erfassen alle relevanten Daten zur Verbrauchserfassung (kWh, kvarh…), und zur Beurteilung der Spannungsqualität (Transienten, Oberschwingungen, Einschaltströme, Flicker, Kurzzeitunterbrechungen, Minimum- und Maximum- Werte usw.). Die im Lieferumfang enthaltene Software GridVis® erlaubt umfangreiche Auswertungen auf Knopfdruck (Bild 6).
Als nächstes folgt ein noch kostengünstigeres Ethernet-Energiemessgerät, das UMG 96RM-E. Dessen Zertifizierung erfolgt voraussichtlich noch im 2. Quartal 2014. Es bietet sechs Strommesskanäle und eine RCM-Messung (Differenzstrom/Fehlerstrom), mit deren Hilfe sich der Isolationszustand einer Installation überwacht lässt. Die ist insbesondere bei kontinuierlichen Prozessen wichtig, bei denen die Energieversorgung auf keinen Fall unterbrochen werden darf (Bild 7).
Janitza bietet damit ein umfassendes Portfolio an BACnet-Geräten für die unterschiedlichsten Anwendungen. Durch die externe Zertifizierung ist eine verlässliche, systemweite Kommunikation sichergestellt – eine unerlässliche Voraussetzung für die Arbeit mit kritischen Daten.
Stefanie Hollingshaus Pressekontakt Marketingkommunikation stefanie.hollingshaus@janitza.de +49 6441 9642-539 (Telefon) +49 6441 9642-30 (Fax)